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11.02.2020
Trotz erstinstanzlicher Verurteilung wegen Betruges - Arzt darf von der Presse nicht erkennbar gemacht werden.
Immer häufiger nennt die Presse, insbesondere die BILD-Zeitung, in der Berichterstattung über Betrugsstraftaten die Namen der angeblichen Täter oder macht diese durch die Angabe des abgekürzten Namens oder sonstiger Hinweise für den Leser erkennbar. Eine solche Berichterstattung genügt häufig, um Existenzen zu vernichten. Denn wer beauftragt schon einen Arzt oder Unternehmer, wenn über eine einfache Google-Suche Zeitungsartikel auffindbar sind, aus denen eine frühere strafrechtliche Verfehlung hervorgeht?
Mit einer solchen Berichterstattung wird häufig nicht abgewartet, bis eine strafrechtliche Verurteilung in letzter Instanz bestätigt wird. Die Presse neigt vielmehr dazu, immer früher „Wasserstandsmeldungen“ zu veröffentlichen. Wird eine strafrechtliche Verurteilung dann in zweiter Instanz sogar aufgehoben, dann wurde der Ruf des Unternehmers durch eine vorherige Berichtserstattung unwiederbringlich ruiniert.
Das Landgericht Köln hat eine solche Berichterstattung der Axel Springer SE auf „bild.de“ nun verboten. Dort war über die erstinstanzliche Verurteilung eines Arztes u.a. wegen Betruges berichtet worden. Obwohl der Arzt Revision eingelegt hat und das Strafverfahren somit noch lief, machte BILD den Arzt erkennbar und teilte dem Leser zusätzlich mit, mit welcher Spezialisierung und in welcher Stadt der Arzt tätig war. Damit war für jeden potenziellen Patienten/Kunden des Arztes klar, wer gemeint ist.
In seinem Urteil (v. 31.01.2020, Az. 28 O 221/19, n.rkr.) verneint das Landgericht Köln ein Informationsinteresse an der Erkennbarmachung des Arztes und hat die BILD-Zeitung zur Unterlassung verurteilt.
Dr. Carsten Brennecke:
„Eine voreilige Erkennbarmachung des Betroffenen führt häufig zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz. Demgegenüber besteht ein öffentliches Informationsinteresse in der Regel allein an dem Vorgang, nicht aber der Identität der beteiligten Personen. Das Landgericht Köln stärkt insoweit erfreulicherweise die Rechte Betroffener und stellt fest, dass die Presse in einer Berichterstattung über Betrugsvorwürfe den angeblichen Täter grundsätzlich nicht erkennbar machen darf.“
12.02.2020
Trotz Kündigung durch Verleger: Gemeinsame Vergütungsregeln für Journalisten anwendbar - Journalistin erhält Nachzahlung von rund 72.000 Euro zugesprochen.
Urheber sollen angemessen bezahlt werden. Dieser eigentlich selbstverständliche Grundsatz ist im Urheberrecht seit 2002 verankert.
Um eine angemessene Vergütung von freien Journalisten zu gewährleisten, hatten sich die Verleger- und die Journalistenverbände vor 10 Jahren auf sogenannte gemeinsame Vergütungsregeln (GVR) geeinigt. Diese Regeln bestimmen, wie hoch das Honorar für Textbeiträge und Fotos für Tageszeitungen sein muss. Wenn Verlage geringere Honorare bezahlen, steht den Journalisten ein Anspruch auf Nachvergütung zu. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) wollte sich von den GVR lösen und hat die Vereinbarung daher im Jahr 2017 aufgekündigt. Zwar sind die Auswirkungen der Kündigung streitig, jedoch berufen sich die Verleger seitdem gegenüber ihren freien Mitarbeitern darauf, dass die GVR nun keine Anwendung mehr finden würden.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth sieht dies allerdings in seiner Entscheidung vom 06.02.2020 (Az. 19 O 8247/18, n.rkr.) anders. Die Richter stellten vielmehr fest, dass sich der Verlag gerade nicht darauf berufen könne, dass die GVR nicht mehr anwendbar seien. Wenn überhaupt müsste der Verlag konkrete Gründe nennen und belegen, warum die damals einvernehmlich festgesetzten Honorarsätze seit der Kündigung nicht mehr als angemessen anzusehen sein sollten. Eine pauschale Behauptung, dass die Zeitungsbranche mit Umsatzrückgängen zu kämpfen habe, sah das Gericht nicht als ausreichend an. Nach Ansicht des Gerichts sind die GVR nach wie vor jedenfalls als Orientierungshilfe für die Berechnung der angemessenen Vergütung heranzuziehen.
Auch mit weiteren Angriffen gegen die Klageforderung konnte der Verlag nicht durchdringen. Insbesondere sah das Gericht in der Einigung auf angemessene Honorarsätze keinen Verstoß gegen das europäisches Kartellrecht, wie es vom Verlag behauptet worden war.
Der Journalistin wurde daher der geltend gemachte Nachvergütungsanspruch in voller Höhe zugesprochen. Für die von der Klägerin über einen Zeitraum von gut zwei Jahren erbrachten Leistungen als Text- und Bildjournalistin wurde der Verlag zur Zahlung von rund 72.000 Euro (brutto) verurteilt.
20.02.2020
Alles andere als sauber: Vorsicht bei Handel mit Wasch- und Reinigungsmitteln.
Auf Online-Marktplätzen wie eBay oder Amazon gibt es zahlreiche Händler, die Waschmittel und Reinigungsmittel verkaufen. Viele der handelsüblichen Wasch- und Reinigungsmittel reagieren allerdings reizend auf Augen und Haut. Sie werden deshalb als gefährlich eingestuft und müssen zur Warnung von Verbrauchern entsprechend gekennzeichnet werden. Viele Anbieter kennzeichnen die Produkte jedoch nicht ordnungsgemäß. Nicht ausreichend gekennzeichnete Produkte dürfen nicht verkauft werden.
Nach Art. 17 VO (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) müssen derartige Produkte ein Kennzeichnungsetikett aufweisen, auf dem die relevanten Informationen, wie Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und Sicherheitshinweise enthalten sind. Ferner müssen nach Art. 11 VO (EG) Nr. 648/2004 (Detergenzien-Verordnung) Angaben zu den Inhaltsstoffen und bei für den Verbraucher bestimmten Waschmitteln und Maschinengeschirrspülmitteln auch Informationen zur Dosierung gemacht werden. Sämtliche Angaben müssen in deutscher Sprache gemacht werden (Art. 17 Abs. 2 CLP-Verordnung, Art. 11 Abs. 5 Detergenzien-Verordnung i.V.m. § 8 Abs. 1 WRMG). Der Wettbewerber eines Mandanten hielt sich jedoch nicht an diese Pflichten. Das LG Köln untersagte ihm daher den Vertrieb seiner Produkte (Beschl. v. 29.10.2019, Az: 84 O 228/19, rechtskräftig).
Zudem ist die VO (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-Verordnung) zu beachten. Nach Art. 31 REACH-Verordnung muss ein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung gestellt werden. Entspricht ein Sicherheitsdatenblatt nicht den Vorgaben der REACH-Verordnung, liegt hierin ebenfalls ein Wettbewerbsverstoß (LG Köln, Beschl. v. 29.10.2019, Az. 84 O 228/19, rechtskräftig). Allerdings muss das Sicherheitsdatenblatt grundsätzlich nur gewerblichen Abnehmern und nicht auch Verbrauchern zur Verfügung gestellt werden.
Rechtsanwalt Dr. Johannes Gräbig:
„Bei Wasch- und Reinigungsmitteln handelt es sich oft um ,gefährliche' Produkte, so dass zum Schutz der Gesundheit und der Umwelt zahlreiche Informations-, Kennzeichnungs- und Sicherheitsvorschriften beachtet werden müssen. Werden diese nicht eingehalten, ist der Vertrieb der Produkte unzulässig nicht und es droht ein Verkaufsverbot.“
Ausführlichere Informationen zur Produktkennzeichnung und Informationspflichten bei Wasch- und Reinigungsmitteln gibt es hier:
04.06.2020
Kein Geheimverfahren: Streit zwischen Polizeigewerkschaften wieder offen!
Paukenschlag aus Karlsruhe! Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Eilentscheidung aus Berlin korrigiert – weil sie gegen die Verfassung verstößt (Beschl. v. 03.06.2020, Az.: 1 BvR 1246/20)!
Was war passiert? Anfang März bekam auch die Bundespolizei die Folgen der Corona-Pandemie zu spüren. Die Bundespolizeigewerkschaften standen nun vor der Frage, wie sie deshalb mit den für Mitte Mai anstehenden bundesweiten Wahlen zum Personalrat umgehen – denn die sollten grundsätzlich vor Ort durchgeführt werden. Mitte März einigte man sich daher auf die Möglichkeit der Briefwahl. Nachdem sich die Corona-Krise aber verschlimmerte, wollten zwei Gewerkschaften die Wahl verschieben und beriefen sich hierzu u.a. auf die pandemiebedingten weltweiten außerordentlichen Belastungen für die Angehörigen der Bundespolizei. Der Hauptwahlvorstand lehnte eine Verschiebung jedoch ab; dies sei rechtlich gar nicht möglich. Diese Entscheidung nahm die von HÖCKER vertretene „DPolG Bundespolizeigewerkschaft“ zum Anlass zur Kritik und bezeichnete den Vorstand darin als „GdP-geführt“, da zwei der drei Mitglieder des Vorstands Mitglieder der GdP BP sind.
Diesen Flyer nahm nun wiederum die GdP BP zum Anlass, die „DPolG Bundespolizeigewerkschaft“ unter dem 17.04.2020 anwaltlich abzumahnen, da sie die Bezeichnung als „GdP-geführt“ verhindern wollte. Die abgemahnte Gewerkschaft antwortete pünktlich am 20.04.2020 und wies alle Ansprüche zurück. Zudem reichte sie vorbeugend eine sog. „Schutzschrift“ ein. Die GdP BP richtete nun unter dem 22.04.2020 einen Verbotsantrag an das Landgericht (LG) Berlin. Dabei legte sie dem Gericht auch die Abmahnungserwiderung vor. Was dann geschah ist unklar – unter dem 24.04.2020 schrieb die GdP BP dem LG Berlin allerdings erneut und erklärte bzw. rechtfertigte ihr bisheriges Vorbringen. Doch damit nicht genug – sie stellte nun erstmals sog. „Hilfsanträge“, die sich auf mehrere, ganz andere Textstellen des Flyers bezogen. Wenn „GdP-geführt“ schon nicht verboten werden könne, sollten also zumindest andere Textstellen untersagt werden. Damit erzielte die GdP BP auch einen Teilsieg: Am 30.04.2020 wies das LG Berlin (Az.: 27 O 169/20) zwar den Antrag zu „GdP-geführt“ zurück, gab aber den neuen Hilfsanträgen statt.
Was war nun das Problem? Die „DPolG Bundespolizeigewerkschaft“ erfuhr von diesen Vorgängen (und v.a. von den neuen Hilfsanträgen und dem Verbot) erst als letztes – nämlich als ihr die GdP BP das gerichtliche Verbot übermittelte. Sie hatte also gar keine Gelegenheit, sich vor Gericht zu diesen neuen Anträgen zu äußern – und das, nachdem das BVerfG erst im September 2018 gleich in zwei Entscheidungen derartige „Geheimverfahren“ als verfassungswidrig bezeichnet hatte (vgl. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-078.html): Kommt es nach Einreichung des Antrags zu relevanten Veränderungen, muss das Gericht dies dem Antragsgegner nämlich mitteilen und auch ihm ermöglichen, sich vor (!) der Entscheidung hierzu zu äußern.
Die „DPolG Bundespolizeigewerkschaft“ reagierte prompt und legte gegen die Entscheidung des LG Berlin Rechtsbehelfe ein. Doch damit nicht genug – wegen des erkannten Verfassungsverstoßes reichte sie unter dem 28.05.2020 auch eine Verfassungsbeschwerde ein – verbunden mit einem entsprechenden Eilantrag.
Das Bundesverfassungsgericht folgte nun der Argumentation von HÖCKER, stellte eine erhebliche Rechtsverletzung fest und setzte die Wirksamkeit des Verbots „bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache oder bis zu einer erneuten Entscheidung des Landgerichts, längstens jedoch für die Dauer von sechs Monaten“, aus.
Zur Begründung heißt es in der Entscheidung des BVerfG:
„(…) Eine Einbeziehung des Beschwerdeführers durch das Gericht vor Erlass der Verfügung wäre somit offensichtlich geboten gewesen. Eine solche Frist zur Stellungnahme hätte auch kurz bemessen sein können. Unzulässig ist es jedoch, wegen solcher Verzögerungen gänzlich von einer Einbeziehung der Gegenseite abzusehen und sie stattdessen bis zum Zeitpunkt der auf Widerspruch hin anberaumten mündlichen Verhandlung mit einem einseitig erstrittenen gerichtlichen Unterlassungstitel zu belasten. (…) Die Außervollzugsetzung der verfahrenswidrig zustande gekommenen Entscheidung gibt dem Landgericht Berlin Gelegenheit, bei einer neuerlichen Entscheidung beide Seiten einzubeziehen und deren Vortrag zu berücksichtigen. (…)“
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. Das LG Berlin muss nun erneut entscheiden. Der Ausgang des Verfahrens ist völlig offen – die „DPolG Bundespolizeigewerkschaft“ hat jetzt jedenfalls umfassend zu den Hilfsanträgen vorgetragen.
Rechtsanwalt Dr. Christian Conrad:
„Geheimverfahren sind verfassungswidrig! Das hat das BVerfG nun erneut mit deutlichen Worten bestätigt und diesen damit endgültig den Riegel vorgeschoben!“
20.07.2020
Nicht jede scharfe Kritik ist ein gleichzeitig auch ein schwerwiegender Rechtsverstoß: Journalistin erhält keine Geldentschädigung wegen Twitter-Äußerung.
Eine Journalistin hatte auf Twitter „Nazis raus“ geschrieben. Auf die Nachfrage eines anderen Twitter-Nutzers, wer für sie ein Nazi sei, antwortete sie „Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt“. Eine andere Twitter-Nutzerin schrieb daraufhin
„Wie geistig minderbemittelt muss man sein, um so einen Stuss zu schreiben?“.
Die Journalistin mahnte die Twitter-Nutzerin wegen der letztgenannten Äußerung ab und verlangte die Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von EUR 7.500. Die Twitter-Nutzerin verteidigte sich mit HÖCKER gegen die Klage.
Das LG Frankfurt a.M. (Urt. v. 04.06.2020, Az. 2-03 O 355/19, n.rkr.) wies die Klage ab und verurteilte die Journalistin zur Übernahme der Kosten des Rechtsstreits. Das Gericht folgte der Auffassung von HÖCKER, dass nicht jede Rechtsverletzung einen Anspruch auf Geldentschädigung auslösen kann. Nur wenn es sich um einen besonders schweren Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht handelt und die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigt werden kann, kann eine Geldentschädigung zugesprochen werden.
Im vorliegenden Fall erachteten die Richter den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht jedoch nicht als derart schwerwiegend, dass er nicht auf andere Weise ausgeglichen werden könnte. Das Genugtuungsinteresse der Journalistin sei bereits dadurch befriedigt, dass sie eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte, gerichtet auf die Unterlassung der Äußerung. Zudem müsse sich die Beklagte die Äußerungen weiterer Twitter-Nutzer nicht zurechnen lassen.
24.07.2020
Professor Dr. Ralf Höcker, LL.M.: "Ich rate, gegen den Muezzinruf zu klagen"
In
seinem Beitrag für Tichys Einblick weist Professor Dr. Ralf Höcker, LL.M. (IP) darauf hin, dass kirchliches Glockengeläut
hingenommen werden muss, nicht aber der Ruf des Muezzin.
Zudem erläutert Professor Höcker die rechtliche Bedeutung der Muezzin-App und weshalb diese verhindern helfen kann, dass komplette Straßenzüge und Häuserblöcke beschallt werden müssen.
Hier geht es zum Beitrag:
https://www.tichyseinblick.de/daili-es-sentials/ich-rate-gegen-den-muezzinruf-zu-klagen/
30.07.2020
HÖCKER erzielt weitere Grundsatzentscheidung beim Bundesverfassungsgericht: Auch in wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren muss rechtliches Gehör gewährt werden.
Die Gerichte müssen auch in wettbewerbsrechtlichen Eilverfahren die prozessuale Waffengleichheit und das rechtliche Gehör gewährleisten. In einer ersten von HÖCKER geführten Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dies bereits für das Presse- und Äußerungsrecht entschieden (Az. 1 BvR 1246/20).
Unklar war bislang, ob die Grundsätze auch im Gewerblichen Rechtsschutz gelten. Das BVerfG hat auf eine weitere von HÖCKER eingelegte Verfassungsbeschwerde nun erstmals zu einem wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren entschieden, dass diese Grundsätze auch im Wettbewerbsrecht gelten (Entscheidung vom 27.7.2020, Az. 1 BvR 1379/20). Weicht der Verfügungsantrag von den in der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsansprüchen ab, muss das Gericht den Gegner zwingend anhören. Erteilt es dem Antragsteller Hinweise, müssen diese vor Erlass der Entscheidung auch dem Gegner mitgeteilt werden.
Im Ergebnis hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen. Zwar verstoße die einstweilige Verfügung gegen die prozessuale Waffengleichheit und das Recht auf rechtliches Gehör, weil der Verfügungsantrag nicht identisch mit dem Unterlassungsbegehren aus der Abmahnung war und das Gericht einen schriftlichen Hinweis an die Antragstellerin dem Gegner nicht vor Erlass der einstweiligen Verfügung mitgeteilt habe. Allerdings fehle es in diesem konkreten Einzelfall an einem hinreichenden Feststellungsinteresse.
Die Entscheidung bietet aber auch Anlass zu Kritik: Zu dem jetzt geforderten Feststellungsinteresse hatte das Gericht Anfang Juni noch Folgendes ausgeführt:
„Da die Rechtsbeeinträchtigung durch die einstweilige Verfügung in Gestalt eines weiterhin vollstreckbaren Unterlassungstitels noch fortdauert, muss der Beschwerdeführer kein besonderes gewichtiges Feststellungsinteresse geltend machen. Vielmehr genügt es, dass er weiterhin durch die angegriffene Verfügung beschwert ist (…).“
Genau diese Situation war auch in dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegeben. Während das BVerfG in der Entscheidung zum Presserecht noch eine Terminierung zur mündlichen Verhandlung von ca. zwei Monaten nach Widerspruchseinlegung als zu lange bezeichnete, sah es in dem wettbewerbsrechtlichen Verfahren eine Terminierung sieben Wochen nach Widerspruchseinlegung noch als ausreichend an. Das BVerfG hatte zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde übrigens selbst fast sieben Wochen benötigt.
Unabhängig davon ist die Entscheidung ein Meilenstein, weil nun klargestellt ist, dass die Grundsätze zu Eilverfahren im Presserecht auch im Wettbewerbsrecht gelten.
Dr. Johannes Gräbig:
„Einstweilige Verfügung sind gerade im Wettbewerbsrecht ein scharfes Schwert und können u.a. einen Vertriebsstopp zur Folge haben. Umso wichtiger ist es, dass sich der Antragsgegner dann auch vor Erlass einer Entscheidung umfassend verteidigen kann. Dies hat das BVerfG nun auch für das Wettbewerbsrecht klargestellt.“
Die Legal Tribune Online (LTO) berichtet hier über das Verfahren.
20.08.2020
Corona schützt vor Haftung nicht: Google muss 1-Sterne-Bewertung löschen.
Unternehmensbewertungen auf Google haben größten Einfluss auf die Kaufentscheidung von Kunden. Sind die Bewertungen zu negativ, wendet sich der Kunde ab und ist mit nur einem Klick auf der Seite der Konkurrenz. Besonders ärgerlich ist es, wenn eine Kritik keinem Kunden zugeordnet werden kann und gar nicht klar ist, weshalb das eigene Unternehmen öffentlich schlecht bewertet wurde.
Gegen eine derartige Schlechtbewertung hat sich ein Unternehmen aus der Pharmabranche nun erfolgreich gewehrt. Ein anonymer Nutzer hatte eine 1-Sterne-Bewertung ohne Begleittext bei Google hinterlassen. Eine Zuordnung zu einem Kunden war nicht möglich. Das Unternehmen sah sich in seinen Rechten verletzt und forderte Google mit anwaltlichem Schreiben zur Löschung der Bewertung auf. Google teilte darauf lediglich mit, dass die Beantwortung der Anfrage aufgrund der Corona-Situation länger dauern könne.
„Aufgrund unserer Vorsorgemaßnahmen als Reaktion auf die Ausbreitung von COVID-19 kann die Beantwortung Ihrer Anfrage länger dauern. Wir bitten etwaige Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Ihr Google-Team“
Da sich Google allerdings auch 14 Tagen nach dieser Mitteilung nicht zurückmeldete und die Bewertung auch nicht löschte, hat das LG Köln nun in einem von HÖCKER geführten Eilverfahren eine einstweilige Verfügung gegen Google erlassen (LG Köln, Beschl. v. 18.08.2020, Az: 28 O 279/20, n.rk).
Google hätte nach der Beanstandung zeitnah, also innerhalb weniger Tage, prüfen müssen, ob der Bewertung eine hinreichende tatsächliche Erfahrung mit dem Unternehmen zugrunde liegt. Dies ist nicht erfolgt. Google hat seine Prüfpflichten verletzt. Auch der pauschale Verweis auf Verzögerungen im Prüfverfahren wegen der Corona-Situation schützt Google nicht vor der Haftung.
Google muss die Bewertung nun löschen. Andernfalls kann das Gericht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro gegen Google festsetzen.
28.08.2020
Vermutung reicht nicht - Fitnessstudio muss keine GEMA-Gebühr zahlen.
Ein Fitnessstudio hat sich in einer langen Auseinandersetzung mit der GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) teilweise durchgesetzt: Das Amtsgericht Bochum stellte fest, dass das Fitnessstudio nicht zur Zahlung von GEMA-Gebühren verpflichtet ist, da nachweislich nur GEMA-freie Musik genutzt wurde (Urt. v. 23.06.2020, Az.: 65 C 297/19, n.rkr.).
Die Parteien stritten sich u.a. um einen Zeitraum von sechs Monaten nach Eröffnung des Studios. Das Fitnessstudio nutzte in diesem Zeitraum nur GEMA-freie Musik. Eine GEMA-Mitarbeiterin, die das Fitnessstudio kurz nach der Eröffnung besuchte, wollte das nicht glauben. Sie behauptete, GEMA-pflichtige Musik gehört zu haben, jedoch ohne die entsprechenden Titel im Protokoll zu benennen. Dem Amtsgericht Bochum genügte das nicht, zumal das Fitnessstudio plausibel erklärte, wie es die Nutzung GEMA-freier Musik sichergestellt hatte. Es wies die Klage in diesem Punkt zurück, sprach der GEMA jedoch für einen späteren Zeitraum, in dem das Fitnessstudio auf GEMA-pflichtige Musik umgestellt hatte, einen sog. Kontrollkostenzuschlag zu.
03.09.2020
Google muss schneller auf Löschanträge gegen Unternehmensbewertungen reagieren.
Unternehmen können Bewertungen auf Google, Jameda & Co. löschen lassen. Auf rechtswirksame Löschanträge gegen Bewertungen müssen die Plattformen innerhalb weniger Tage reagieren und ein Prüfverfahren einleiten.
In mehreren Entscheidungen hat das LG Köln (LG Köln, Beschl. v. 18.08.2020, Az: 28 O 279/20, n.rk., Beschl. v. 31.08.2020, Az. 28 O 306/20, n.rk., Beschl. v. 31.08.2020, Az. 28 O 279/20, n.rk. ) nun entschieden, dass das Prüfverfahren bei Google aktuell zu lange dauert. Anträge blieben wochenlang unbeantwortet. Hierin sah das LG Köln eine Verletzung von Prüfpflichten. Google hätte innerhalb weniger Tage (!) prüfen und gegebenenfalls löschen müssen.
Das LG Köln hat Google in den Verfahren nun zur Löschung der Bewertungen verpflichtet. Wenn Google dem nicht nachkommt, kann das Gericht ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 Euro gegen Google festsetzen.