Landgericht Köln: entlastende Argumente des Betroffenen müssen in jedem Folgebericht veröffentlicht werden - Kölner Stadtdezernentin mit HÖCKER erfolgreich gegen DuMont (Kölnische Rundschau)

Eine Kölner Stadtdezernentin hat sich mit HÖCKER gegen die Verlegerin der Kölnischen Rundschau durchgesetzt (M. DuMont Schauberg – Expedition der Kölnischen Zeitung GmbH & Co. KG).

Die Kölnische Rundschau hatte in mehreren Artikeln berichtet, dass es im Verantwortungsbereich der Stadtdezernentin durch Mitarbeiter zu Falschabrechnungen gekommen sei. Obwohl der Kölnischen Rundschau eine entlastende Stellungnahme vorlag, entschied sie sich, den Lesern die ihr bekannten entlastenden Umstände in gleich mehreren Artikeln vorzuenthalten. Hätte die Rundschau die entlastenden Punkte mitgeteilt, so wäre dem Leser schnell klar geworden, dass die Stadtdezernentin keine Verantwortung für die angeblichen Falschabrechnungen traf: Denn die zuständige, juristisch versierte Fachabteilung hatte dem Vorgang geprüft und abgesegnet.

Nachdem die unzulässig einseitige Berichterstattung abgemahnt wurde, versicherte die Rechtsabteilung des Verlags, man habe die Redaktion über die Notwendigkeit einer ausgewogenen Berichterstattung informiert, so dass sich das künftig nicht wiederholen werde.

Die Redaktion der Kölnischen Rundschau hatte jedoch offensichtlich kein Interesse an einer ausgewogenen Folgeberichterstattung, möglicherweise, weil eine Berichterstattung, die entlastende Argumente der Stadtdezernentin nennt, eine deutlich geringe Sprengkraft gehabt hätte. Es wurden weitere Artikel veröffentlicht, die wiederum völlig einseitig waren, also jede entlastende Stellungnahme der Stadtdezernentin vermissen ließen.

Der Verlag verteidigte sich damit, dass er in einem früheren Bericht seiner Print-Ausgabe vor Monaten einmal entlastende Argumente berücksichtigt habe. Eine Wiederholung entlastender Argumente in späteren Artikeln sei daher nicht erforderlich.

Das Landgericht Köln hat die Berichte verboten und stärkt damit die Rechte der von Verdachtsberichterstattung Betroffenen (Urteil vom 13.10.21, Az. 28 O 48/21):

Das Landgericht Köln bestätigt, dass nicht davon auszugehen sei, dass eine einmal in einer Print-Ausgabe abgedruckte entlastende Stellungnahme dauerhaft in die Zukunft fortwirkt. Das liegt schon daran, dass nicht jeder Leser ausnahmslos jede Print-Ausgabe komplett liest. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass ein Leser, der eine einseitige vorverurteilende Berichterstattung in einer aktuellen Ausgabe liest, noch eine vor Monaten abgedruckte entlastende Stellungnahme im Kopf hat. Hinzu kommt, dass der Leser eine einmal gelesene entlastende Stellungnahme relativ zeitnah vergessen wird und es schon deshalb erforderlich ist, bei einer Reaktivierung belastender Umstände auch die entlastenden Gesichtspunkte erneut zu präsentieren.

Dr. Carsten Brennecke: „Die Entscheidung verschärft die journalistischen Sorgfaltspflichten der Verdachtsberichterstattung: Das Landgericht Köln stellt klar, dass jede Reaktualisierung von Vorwürfen in einer neuen Berichterstattung auch den erneuten Abdruck einer entlastenden Stellungnahme erforderlich macht.“