Erfolg gegen Cancel Culture an Universitäten: Verwaltungsgericht Berlin verbietet Humboldt Uni abschätzige Pressemitteilung über Biologin Marie-Luise Vollbrecht

Unsere Mandantin Marie-Luise Vollbrecht ist Promotionsstudentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berliner Humboldt Uni. Am 1. Juni 2022 verfasste sie in der „WELT“ zusammen mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einen Artikel mit der Überschrift „Wie ARD und ZDF unsere Kinder indoktrinieren“.

In der Einleitung hieß es: „Transgender-Ideologie in der „Sendung mit der Maus“, Videos zu Penisentfernung oder Drogen-Sex: Fünf Gastautoren, Biologen und Mediziner, haben Beiträge des öffentlich-rechtlichen Rundfunks analysiert. Ihr Vorwurf: ARD, ZDF und Co. verfolgten eine bedrohliche Agenda“.

Unsere Mandantin wurde unter dem Artikel als „Doktorandin der Biologie (Behavioural Physiology) an der Humboldt Universität Berlin“ vorgestellt.

Am 2. Juli 2022 wollte sie an der Humboldt Universität unter dem Titel „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ einen Vortrag im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaft halten. Die Humboldt Uni sagte diesen Vortrag jedoch kurzfristig ab und begründete dies öffentlich wie folgt:

„Zur Absage des Vortrags „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ bei der Langen Nacht der Wissenschaften 2022
Stellungnahme der Humboldt-Universität zu Berlin

Am 2. Juli 2022 fand nach zwei Pandemie-Jahren endlich wieder eine Lange Nacht der Wissenschaften statt, die seit mehr als 20 Jahren von vielen Wissenschaftseinrichtungen in Berlin ausgestaltet und organisiert wird. Auch an der Humboldt-Universität haben sich zahlreiche Mitglieder für dieses „Fest der Wissenschaft“ engagiert und Vorträge, Workshops und Ausstellungen vorbereitet und organisiert. Der Vortrag „Geschlecht ist nicht (Ge)schlecht: Sex, Gender und warum es in der Biologie zwei Geschlechter gibt“ musste im Interesse der Gesamtveranstaltung Lange Nacht der Wissenschaften abgesagt werden. Grund dafür waren Proteste gegen die Vortragende, die wegen ihrer Mitarbeit an einem Artikel in der „Welt“ Anfang Juni massiv in die öffentliche Kritik geraten ist.
Der RefRat der HU hatte am Freitag, 1. Juli 2022, eine E-Mail an die gesamte Studentenschaft verschickt, in der er zur Teilnahme an einer Demonstration gegen den Vortrag aufrief. In der Folge wurden dann auch Gegenaktionen von Unterstützer:innen der Vortragenden angekündigt und vorbereitet. Wir mussten deshalb mit einer möglichen Eskalation rechnen, die die gesamte Lange Nacht der Wissenschaften überschatten und gegebenenfalls massiv stören würde.
Die Kritik an der Vortragenden war mit dem Vorwurf verbunden, die HU würde transfeindlichen Überzeugungen eine Bühne bieten. Grundsätzlich versteht sich die Humboldt-Universität als ein Ort, an dem kein Mensch diskriminiert werden sollte, sei es wegen seiner Religion, seiner vermeintlichen Rasse, seiner sexuellen Identität oder wegen irgendeines anderen Merkmals, das als Unterscheidungsmerkmal angesehen wird. Die HU hat sich in ihrem Leitbild dem „wechselseitigen Respekt vor dem/ der Anderen“ verpflichtet. Die Meinungen, die Frau Vollbrecht in einem „Welt“-Artikel am 1. Juni 2022 vertreten hat, stehen nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten.


Unsere Mandantin wurde in der Folge massiv angefeindet. So erhielt sie unter anderem zahlreiche Drohbriefe, die schließlich in dem völlig haltlosen Vorwurf gipfelten, unsere Mandantin sei rechtsextrem. Anders als von der Universität behauptet, waren unserer Mandantin auch keine „Gegenaktionen von Unterstützer:innen“ bekannt. Dass ihre eigene Uni sie nach der Absage des Vortrags auf Druck radikaler Studenten und aus purer Angst vor negativer PR auch noch unter voller Namensnennung diskreditierte, hat unsere Mandantin wirklich schockiert. Kein Wissenschaftler möchte in dieser Weise von seiner Alma Mater herabgewürdigt werden, zumal, wenn es hierfür keinerlei objektiven Anlass gibt.

Das Verwaltungsgericht Berlin hat der Humboldt Uni nun auf Antrag unserer Mandantin einstweilen verboten (noch nicht rechtskräftig) den nachfolgenden Satz weiter zu verbreiten:

„Die Meinungen, die Frau Vollbrecht in einem „Welt“-Artikel am 1. Juni 2022 vertreten hat, stehen nicht im Einklang mit dem Leitbild der HU und den von ihr vertretenen Werten.“

Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht Berlin aus:

„Der mit der Stellungnahme einhergehende Grundrechtseingriff ist rechtswidrig. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht verbietet es grundsätzlich dem unmittelbar an die Grundrechte gebundenen Staat, sich ohne rechtfertigenden Grund herabsetzend über einen Bürger zu äußern, etwa eine von diesem vertretene Meinung abschätzig zu kommentieren. (…) Nach diesen Grundsätzen ist der durch die angegriffene Äußerung bewirkte Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin nicht gerechtfertigt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die tenorierte Äußerung der Antragsgegnerin noch von ihrer allgemeinen Aufgabenzuweisung gedeckt ist oder einer speziellen Ermächtigungsgrundlage bedarf, denn sie ist jedenfalls unverhältnismäßig. (…) Die Äußerung lässt sich in der maßgeblichen, für die Antragsgegnerin ungünstigsten Lesart (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2010 – 1 BvR 1890/08 – juris Rn. 23) als Behauptung verstehen, die Gesamtheit der nicht näher bezeichneten Meinungen der Antragstellerin stünde nicht im Einklang mit dem von der Antragsgegnerin in ihrem Leitbild vorgesehenen „wechselseitigen Respekt vor dem/ der Anderen“ und ihrem Selbstverständnis als einem Ort, „an dem kein Mensch diskriminiert werden sollte, sei es wegen seiner Religion, seiner vermeintlichen Rasse, seiner sexuellen Identität oder wegen irgendeines anderen Merkmals, das als Unterscheidungsmerkmal angesehen wird. (…) Diesem Werturteil fehlt es bei objektiver Auslegung der Pressemitteilung an einer tragfähigen tatsächlichen Grundlage. Denn es wird aus dieser heraus nicht klar, auf welche Meinungen der Antragstellerin die Antragsgegnerin sich konkret bezieht und welche Werte beziehungsweise Elemente ihres Leitbilds sie hiermit für unvereinbar hält. (…) Der mit der Äußerung verbundene Vorwurf wiegt aufgrund der aufgezeigten Pauschalität besonders schwer, weil ein objektiver Empfänger den Eindruck gewinnen kann, die Antragstellerin bewege sich mit ihren Meinungen in ihrer Gesamtheit außerhalb des Leitbildes und der Werte der Antragsgegnerin.“

Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralf Höcker: „Das Gericht hat ein starkes Zeichen gegen Cancel Culture an Universitäten gesetzt. Es ist eine Schande, dass eine angebliche Exzellenz-Uni aus purer Angst vor radikalen Aktivisten ihre eigene wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin herabwürdigt. Alexander und Wilhelm von Humboldt würden sich im Grabe herumdrehen, wenn sie wüssten, was aus der nach ihnen benannten Universität geworden ist.