Entscheidung des OLG Hamburg im Verfahren Dr. Vosgerau gegen Correctiv: OLG Hamburg bestätigt, dass Correctiv die Aussagen Vosgeraus verkürzt hat, verneint aber weitere Unterlassungsansprüche:

Der Staatsrechtler Dr. Ulrich Vosgerau (CDU) ist vor dem Landgericht Hamburg erfolgreich gegen die Correctiv-Berichterstattung vom 10.01.2024 vorgegangen. Das Landgericht Hamburg hat mit einstweiliger Verfügung (n.rk.) verboten, eine Aussage Vosgeraus zu Erfolgsaussichten von Wahlprüfungsbeschwerden sinnentstellend verfälschend wiederzugeben.

Correctiv hatte eine Aussage Vosgeraus zu Wahlprüfungsbeschwerden falsch dargestellt und in ihr Gegenteil verkehrt. Verboten wurde Correctiv die nachstehende Passage:

„Den Vorschlag, man könne vor den kommenden Wahlen ein Musterschreiben entwickeln, um die Rechtmäßigkeit von Wahlen in Zweifel zu ziehen, hält Vosgerau für denkbar: Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit.“

Das Gericht begründet das Verbot damit, dass diese Aussage unwahr ist, Zitat LG Hamburg:

„Leserinnen und Leser entnehmen der Äußerung, „Je mehr mitmachten, stimmt er zu, umso höher die Erfolgswahrscheinlichkeit“ das Verständnis, dass der Antragsteller, wenn nicht wörtlich, so doch wenigstens sinngemäß gesagt habe, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlprüfungsbeschwerden Erfolg hätten, umso größer sei, je mehr Beschwerden eingelegt würden.

Dies ist prozessual unwahr.“

Vosgerau hatte gerade nicht gesagt, dass der Erfolg von Wahlprüfungsbeschwerden mit steigender Anzahl zunehme. Ganz im Gegenteil sagte er explizit, dass ein massenweises Vorgehen bei Wahlprüfungsbeschwerden nicht sinnvoll sei. Der Erfolg einer Wahlprüfungsbeschwerde hänge nicht davon ab, wie oft sie eingereicht werde, sondern davon, wie gut sie begründet sei.

Ausbürgerung und Briefwahl: Zwei weitere irreführende Darstellungen wurden nicht verboten:

Die nach Vosgeraus Auffassung sinnentstellend gekürzte Wiedergabe zweier Aussagen Vosgeraus hielt das Landgericht Hamburg dagegen noch für vertretbar:

Correctiv hatte Herrn Vosgerau vor der Berichterstattung Gelegenheit gegeben, eine entlastende Stellungnahme abzugeben, diese dann aber sinnentstellend verkürzt und wesentliche Teile im Artikel verschwiegen:

Vosgerau hatte in seiner entlastenden Stellungnahme betont, dass auf dem Treffen niemand gesagt hat, es sollten Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft ausgebürgert werden. Der Staatsrechtler sagte zudem, dass die Ausweisung deutscher Staatsbürger auch rechtlich gar nicht möglich sei. Vosgeraus Stellungnahme an Correctiv lautete:

„Es ist dort nach meiner Erinnerung von niemandem gesagt worden, es sollten Personen, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben, irgendwie repatriiert oder ausgebürgert worden. Dies wäre ja rechtlich normalerweise auch gar nicht möglich.“

Diese Aussage passte womöglich nicht sehr gut in Correctivs redaktionelles Konzept von der Darstellung des Potsdamer Treffens. Correctiv hat diese entlastende Aussage Vosgeraus nicht zitiert, sondern verfälscht und verkürzt: Im Bericht formuliert Correctiv nämlich, dass sich Vosgerau sich nur in Sellners Vortrag nicht an das Thema der Ausweisung deutscher Staatsbürger erinnern könne, Zitat:

„An die Sache mit der Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag will er sich aber nicht erinnern können.“

Beim Leser entsteht durch die verfälschte Wiedergabe der Stellungnahme der falsche Eindruck, Vosgerau habe Aussagen zur Ausweisung deutscher Staatsbürger auf dem Treffen nicht generell in Abrede gestellt, sondern nur in Sellners Vortrag. Die Aussage, dass Vosgerau als Staatsrechtler die Ausweisung deutscher Staatsbürger auch gar nicht für rechtlich möglich hält, ließ Correctiv gleich ganz unter den Tisch fallen.

Das Landgericht Hamburg stellt zwar nicht in Abrede, dass die entlastende Antwort Vosgeraus durch Correctiv gekürzt wurde. In der Abwägung meint das Gericht aber, dass eine Wiedergabe der verschwiegenen Aussagen beim Leser nicht zu einem erheblich anderen Verständnis geführt habe.

Gegen die Zurückweisung des Verbotsantrags durch das Landgericht Hamburg hat Vosgerau sofortige Beschwerde zum OLG Hamburg eingereicht. Das OLG Hamburg hat nun mit Beschluss vom 26.03.2024 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Das OLG Hamburg ist mit dem Landgericht Hamburg der Auffassung, dass Correctiv zwar die entlastende Antwort Vosgeraus gekürzt hat. In der Abwägung meint aber auch das OLG Hamburg, dass eine Wiedergabe der verschwiegenen Aussagen beim Leser nicht zu einem erheblich anderen Verständnis geführt habe.

Der Leser mag sich ein eigenes Urteil bilden.

Drittens hatte sich Vosgerau dagegen gewehrt, dass Correctiv ein von ihm benanntes Beispiel für Probleme bei der Briefwahl ebenfalls völlig verzerrt aus dem Kontext gerissen hat. Correctiv hat nach unserer Auffassung den falschen Eindruck erweckt, Vosgerau habe jungen türkischen Wählerinnen generell die Fähigkeit abgesprochen, sich eine politische Meinung bilden zu können. Correctiv hatte zudem fälschlicherweise behauptet, Herr Vosgerau habe dies auch noch gegenüber Correctiv bestätigt. Hier der Wortlaut des Textes:

„Der Verfassungsrechtler spricht über Briefwahlen, es geht um Prozesse, um das Wahl-geheimnis, um seine Bedenken in Bezug auf junge WählerInnen türkischer Herkunft, die sich keine unabhängige Meinung bilden könnten. Auf Correctiv-Fragen hin bestätigt er diesen Satz später.“

Tatsächlich hat Correctiv die Aussage Vosgeraus aus dem Zusammenhang gerissen. Vosgerau hat die Aussage nämlich in einem ganz anderen Kontext getroffen: Er erklärte, dass die Briefwahl bedenklich sein könne, wenn Personen, die sich zunächst einmal frei entschieden haben, wen sie wählen wollen, bei der Stimmabgabe der Briefwahl einem Druck Dritter ausgesetzt sehen. Als Beispiel hat Vosgerau eine (fiktive) türkischstämmige Mitbürgerin benannt, die sich entschieden hat, welche Partei sie wählen möchte, die dann aber bei der Briefwahl ihre Stimme in Anwesenheit Dritter abgibt, die Einfluss darauf nehmen könnten, an welcher Stelle das Kreuzchen gemacht wird.

Anders als von Correctiv verzerrt dargestellt, hat Vosgerau somit nicht etwa türkischstämmigen Mitbürgerinnen generell die Fähigkeit abgesprochen, die Partei ihrer Wahl auszuwählen. Er hat nur gesagt, dass es dazu kommen kann, dass die Ausübung der frei getroffenen Wahl beschränkt werden könne.

Correctiv hat durch die irreführende Darstellung den Eindruck erweckt, dass Vosgerau ganz generell türkischstämmige Jungwählerinnen dadurch herabwürdigen wolle, dass er ihnen jede Fähigkeit zur politischen Meinungsbildung abspricht, was erwiesenermaßen falsch ist.

Vosgerau hat in seiner Stellungnahme gegenüber Correctiv auch klargestellt, dass er türkischstämmigen Deutschen nicht etwa die Fähigkeit zur politischen Meinungsbildung abgesprochen hat, sondern das die Äußerung in einem gänzlich anderen Kontext gefallen ist. Hier die Stellungnahme Vosgeraus an Correctiv:

„Die Behauptung, ich hätte in einem Vortrag die "Briefwahl bei Jungwählern mit türkischer Herkunft problematisiert“, ist jedenfalls stark verzerrend. In dem Vortrag ging es über den sehr hohen Briefwähleranteil bei der Bundestagswahl 2021 und die verfassungsrechtlichen Probleme der (im Grundgesetz gar nicht vorgesehenen) Briefwahl, speziell im Lichte der drei hierzu ergangenen Urteile des Bundesverfassungsgerichts, wobei dessen letztes Urteil aus dem Jahr 2009 das wichtigste ist.

In diesem Zusammenhang habe ich – wohl eher am Rande und in einem Nebensatz – möglicherweise sinngemäß darauf hingewiesen, daß eine Jungwählerin türkischer Herkunft (hier lohnt sich einmal das „gendern“!), die zu Hause in der Küche unter Aufsicht ihres Vaters und mehrerer Brüder ihren Wahlzettel ankreuzt, dabei möglicherweise und in bestimmten Einzelfällen faktisch nicht denjenigen Freiheitsgrad genießt, den die Verfassung beim Wahlakt eigentlich voraussetzt.“

Der durch Correctiv erweckte Eindruck, Vosgerau habe türkischstämmigen Jungwählerinnen generell die Fähigkeit zur politischen Meinungsbildung abgesprochen und die Behauptung Correctivs, Vosgerau habe dies auch noch im Nachhinein bestätigt, sind also erwiesenermaßen falsch.

Das Landgericht Hamburg hat ein Verbot der Passage deshalb nicht ausgesprochen, weil es meint, dass der Leser nicht der Fehlvorstellung unterliegen könne, Vosgerau habe jungen Türkinnen die Fähigkeit zur Meinungsbildung absprechen wollen. Das OLG Hamburg hat sich in seiner Beschwerdeentscheidung dieser rechtlichen Wertung angeschlossen.

Auch hier möge sich der Leser einen eigenen Eindruck verschaffen und sich fragen, weshalb Correctiv die Stellungnahme Vosgeraus nicht annähernd vollständig abdruckte.

Dr. Carsten Brennecke: „Soweit auch das OLG Hamburg meint, Correctiv dürfe Zitate unseres Mandanten massiv kürzen und so der Öffentlichkeit vorenthalten, halten wir dies nicht für überzeugend. Auch wenn die sinnentstellende Verkürzung weiterer Zitate des Mandanten durch das OLG Hamburg nicht verboten wurde, hatte das gerichtliche Verfahren einen wichtigen Effekt: Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wurde darauf gelegt, mit welchen Methoden das „System Correctiv“ bei seiner Berichterstattung arbeitet. Zu dieser manipulativen Methode gehört es, entlastende Aussagen von Protagonisten gezielt zu beschneiden und zu verkürzen.