Anforderungen der Verdachtsberichterstattung zu Dieselskandal: Bericht wegen fehlender Anhörung rechtswidrig.

Sobald Medien über einen Verdacht berichten möchten, z.B. über ein laufendes Strafverfahren, müssen sie nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verschiedene Voraussetzungen einhalten. So sind sie insbesondere verpflichtet, denjenigen vorher anzuhören, der von einer möglichen Berichterstattung betroffen ist.

Dies hatte ein großes deutsches Nachrichtenmagazin in einem Bericht im Zusammenhang mit dem sog. Dieselskandal unterlassen. Das Landgericht Köln hatte gegen das Magazin daraufhin im Jahr 2017 eine einstweilige Verfügung erlassen (Az. 28 O 325/17) und die Entscheidung in der Hauptsache nun bestätigt (Urt. v. 28.08.2019, Az. 28 O 505/18 n.rkr.). In dem aktuellen Urteil hat es die Konkretisierungspflichten präzisiert, die Medien bei der Anhörung des Betroffenen beachten müssen.

Die Richter traten insbesondere der Auffassung des Magazins entgegen, man dürfe in eiligen Fällen von besonderem öffentlichen Interesse ausnahmsweise auch ohne Stellungnahme berichten. Wörtlich heißt es [Hervorh. nur hier]:

„Zwar ist es der tagesaktuellen Presse immanent, dass aktuelle Themen zeitnah veröffentlicht werden müssen, um die Öffentlichkeit über wesentliche Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Dieser Aktualitätsdruck, dem die Presse durch die „sozialen Medien" sowie dem Wettbewerb der Medienunternehmen untereinander unterliegt, rechtfertigt es jedoch nicht, unter Missachtung der für den Kläger streitenden Unschuldsvermutung seine Inhaftierung der Öffentlichkeit kundzutun, ohne ihn zuvor zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen anzuhören und ggfls. seine Sicht der Dinge in den Artikel einfließen zu lassen, um der Öffentlichkeit ein ausgewogenes Bild zu präsentieren. Denn aufgrund der von der Beklagten selbst herausgearbeiteten Bedeutung des sogenannten Dieselskandals wiegt die namentliche und bildliche Identifizierung des Klägers und die hiermit einhergehende Prangerwirkung in der Öffentlichkeit besonders schwer, so dass die Beklagte selbst dann, wenn man eine Eilbedürftigkeit der Berichterstattung unterstellt, gehalten war, sich zumindest um eine Stellungnahme des Klägers zu bemühen, um den Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht gerecht zu werden.“

Außerdem dürfe sich das Magazin nicht auf bloße Gerüchte verlassen, sondern müsse alle erreichbaren Quellen ausschöpfen und sich deren Zuverlässigkeit versichern:

„Dazu gehört im Zweifel aber auch eine vorherige Konfrontation des Betroffenen, für den in einer Situation wie der vorliegenden u.U. mit zumutbaren Bemühungen ausreichend zeitnah ein Ansprechpartner zu ermitteln ist.“

Die Richter stellten schließlich klar, dass Medien auch ein bloßes „Dementi“ berücksichtigen müssen:

„Denn selbst wenn die Beklagte den Kläger nur dahingehend angehört hätte, ob es stimme, dass er ihm gegenüber Untersuchungshaft angeordnet worden sei, hätte sie die seitens des Kläger abgegebene Stellungnahme bei der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels berücksichtigen und ggfls. dem Umfang des Artikels entsprechend als entlastende Ausführungen des durch die Verdachtsberichterstattung betroffenen Klägers wiedergeben müssen.“