Täuschen, Tricksen, Tarnen – wie das Bewertungsprotal Kununu versucht, rechtswidrige Bewertungen im Netz zu halten – Pharmaunternehmen siegt vor dem OLG Köln wegen rechtswidriger Unternehmensbewertungen


Ein Pharmaunternehmen hat sich mit Höcker gegen die Wiederveröffentlichung einer beanstandeten Bewertung auf der Arbeitsgeber - Bewertungsplattform kununu.com vor dem OLG Köln durchgesetzt. Kununu hatte eine rechtswidrige anonyme Bewertung des Unternehmens veröffentlicht, für deren Authentizität es keine Nachweise gab.

Das Gerichtsverfahren in Köln offenbart, wie Kununu nicht nur bewertete Unternehmen, sondern auch das Landgericht Köln und die Nutzer, die auf vermeintlich seriöse Unternehmensbewertungen vertrauen, täuschte und enttäuschte:

Worum geht es:

Ein führendes deutsches Pharmaunternehmen wurde auf der Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu.com durch einen anonymen Verfasser mit einem Verriss bewertet. Die Aussagen in der Bewertung waren derart an den Haaren herbeigezogen, dass beim Unternehmen schnell der Verdacht aufkam, dass es sich bei dem Verfasser nicht um einen echten (ehemaligen) Arbeitnehmer handeln kann.

Kununu wurde durch Höcker zur Löschung der Bewertung aufgefordert und darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Verfasser nicht um einen echten Arbeitnehmer handeln kann. Zudem wurde kununu auf diverse Falschdarstellungen hingewiesen.

Kununu „prüfte“ die Bewertung, indem kununu beim Verfasser Belege anforderte. Kurz darauf wurde die Bewertung plötzlich leicht überarbeitet wieder frei geschaltet. Kununu behauptete vollmundig, dass kununu „einen Tätigkeitsnachweis vom betroffenen Nutzer erhalten“ habe. Sie habe „die Daten im Nachweis mit den Daten des Nutzers abgeglichen“. Der Nachweis belege ein (ehemaliges) Arbeitsverhältnis.

Kununu behauptete also gegenüber dem Unternehmen, der Verfasser habe durch die Vorlage von Unterlagen dokumentiert, dass es sich um einen (ehemaligen) Arbeitnehmer des Unternehmens handelte. Die Unterlagen, die kununu von dem Arbeitnehmer erhalten haben wollte, legte kununu dabei aber nicht vor. Dadurch wurden die Zweifel an der Authentizität des Verfasser der Bewertung nicht kleiner…

Kununu wurde durch HÖCKER abgemahnt und zur Löschung der zweifelhaften Bewertung aufgefordert. Denn der Bundesgerichtshof hat in seiner Jameda II-Entscheidung klargestellt, dass Bewertungsplattformen beanstandete Bewertungen ordentlich prüfen müssen: Die Bewertungsplattform muss sich Belege dafür vorlegen lassen, dass es sich bei dem Verfasser um einen authentischen Patienten/Mitarbeiter handelt, der somit aus eigener Erfahrung das Unternehmen bzw. den Arzt bewerten kann. Die Bewertungsplattform muss sich durch den Verfasser zudem erläutern lassen, wie er denn zu seiner negativen Bewertung kommt.

Kununu hielt es nicht für nötig, den angeblich durch den Verfasser übermittelten Beleg oder eine der Emails des Verfassers, mit der dieser angeblich seine Bewertungen rechtfertigte, weiterzuleiten. So wurde dem bewerteten Unternehmen zielgerichtet jede Möglichkeit genommen, den Vortrag des Verfassers der Bewertung zu überprüfen und zu entkräften.

Erst nach der Abmahnung begann kununu in einer „Salami-Taktik“, scheibchenweise kleine Ausschnitte der vom Verfasser erhaltenen „Belege“ weiterzuleiten. Als erstes leitete kununu einen minimalen Ausschnitt einer ersten Seite des vorgelegten Arbeitsvertrages vor, der nur die Überschrift „Arbeitsvertrag“ und den Namen des Unternehmens zeigt. Kununu behauptete dazu weiter steif und fest, der Verfasser kununu habe einen „Nachweis auf seine Arbeitnehmerschaft übermittelt“.

Die Behauptungen von Kununu sind – wie sich im weiteren Verfahrensverlauf herausstellte – eine dreiste Lüge, ein Täuschungsversuch:

Kununu wurde darauf hingewiesen, dass jeder missliebige Kritiker leicht an einen solchen Schnipsel eines Arbeitsvertrages kommen und diesen vorlegen kann. Dieser belegt in keiner Weise, dass es sich bei dem Verfasser um einen Arbeitnehmer des Unternehmens handelt.

Kununu lehnte die Löschung der Bewertung dennoch ab. Das Unternehmen nahm dies zum Anlass, vor dem Landgericht Köln einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu beantragen. Das Ziel: kununu soll verboten werden, die Bewertung zu verbreiten, so lange kununu nicht ordentlich geprüft hat, dass die Bewertung authentisch ist und die erhaltene Dokumentation nicht zur Prüfung weitergeleitet hat.

Erstinstanzlich lehnte das Landgericht Köln den Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Das Landgericht Köln fiel auf die falsche Beteuerung von kununu herein, der Verfasser habe durch Vorlage eines Arbeitsvertrages seine Authentizität dokumentiert. Gegen ein Verbot spreche, so das Landgericht Köln, „die Erklärung der Antragsgegnerin, dass sie den Tätigkeitsnachweis vom betroffenen Nutzer erhalten und die Daten im Nachweis mit den Daten des Nutzers abgeglichen habe, wobei der Nachweis zu ihrer Überzeugung das Bestehen eines (ehemaligen) Arbeitsverhältnisses belege“.

Weit gefehlt, wie das weitere Verfahren zeigte:

Das Unternehmen legte mit Höcker Beschwerde vor dem Oberlandesgericht Köln ein und beantragte weiterhin, kununu die Verbreitung der Bewertung zu verbieten.

Erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung im Verfahren vor dem Oberlandesgericht Köln legte kununu plötzlich in einer weiteren „Salami-Taktik“ weitere Ausschnitte des erhaltenen Arbeitsvertrages vor. Kununu gestand erst dann zu, dass kununu durch den Verfasser gar nicht den ganzen Arbeitsvertrag, sondern nur Teile des Arbeitsvertrages erhalten hat (sondern nur die erste, zweite und letzte Seite) und dass diese Teile des Arbeitsvertrages durch den Verfasser auch noch an den entscheidenden Stellen geschwärzt an kununu übermittelt wurden. Die Schwärzung erfolgte dabei nicht irgendeiner Stelle, sondern an der wichtigsten Stelle: Der Verfasser hatte kununu einen kleinen Ausschnitt eines Arbeitsvertrages übermittelt, auf dem der Name des Arbeitnehmers und seine Unterschrift geschwärzt waren. Kununu konnte somit anhand des vorgelegten Ausschnitts des Arbeitsvertrages gar nicht feststellen und prüfen, dass es sich überhaupt um einen Arbeitsvertrag handelt, der mit dem Verfasser selbst geschlossen wurde. Denn der Name des Vertragspartners und dessen Unterschrift waren ja geschwärzt.

Kununu mauerte auch noch im Verfahren vor dem Oberlandesgericht und hielt angeblich erhaltene Informationen zurück: Kununu legte nur zwei der angeblich erhaltenen drei Seiten des Arbeitsvertrages vor. Kununu behauptete zudem, weitere bestätigende E-Mails des Verfassers bekommen zu haben, wollte auch diese dann aber erstaunlicherweise nicht vorlegen. Ein Schelm, der Böses dabei denkt…

Das Oberlandesgericht Köln stützte in der mündlichen Verhandlung am 22.04.2021 zum Verfahren mit dem Aktenzeichen 15 W 19/21 die Rechtsansicht von Höcker: Die Veröffentlichung der Bewertung ist unzulässig:

Bewertungsplattformen müssen im Rahmen des Zumutbaren sorgfältig prüfen, dass der Verfasser einer Bewertung authentisch ist, also echter Arbeitnehmer des bewerteten Unternehmens. Diese Verpflichtung hat kununu nach Ansicht des OLG Köln verletzt: Der kununu durch den Verfasser vorlegte Teil des Arbeitsvertrages zeigte noch nicht einmal den Namen oder die Unterschrift des Verfassers. Das Dokument war offensichtlich in keiner Weise geeignet, eine Authentizität des Verfassers zu belegen. Kununu hat seine Prüfungspflichten verletzt, indem sich kununu auf die Übermittlung eines solchen Dokumentes als „Beleg“ verließ, obwohl dieses Dokument nichts belegt.

Das Oberlandesgericht Köln kündigte in der mündlichen Verhandlung an, die begehrte Einstweilige Verfügung zu erlassen, ein Verbot gegenüber kununu, die Bewertung auch in einer zwischenzeitlich überarbeiteten Fassung zu verbreiten.

Ein Skandal ist die Schludrigkeit von kununu im Umgang mit Prüfungspflichten. Der größere Skandal ist aber der, dass die Bewertungsplattform kununu versucht hat, alle Beteiligten mit Tricks in die Irre zu führen: Die täuschende Aussage, kununu habe „einen Tätigkeitsnachweis vom betroffenen Nutzer erhalten“ und „die Daten im Nachweis mit den Daten des Nutzers abgeglichen“ war schlicht falsch. Denn der Arbeitsvertrag wurde kununu geschwärzt, also ohne vergleichbare Daten übersandt. Es handelt sich dabei um einen dreisten Irreführungsversuch nicht nur gegenüber dem Unternehmen, sondern auch gegenüber dem Gericht.

Der größte Leidtragende einer derart unseriösen Praxis des Bewertungsportals kununu ist aber der Nutzer, der sich über einen Arbeitsgeber informieren möchte. Nutzer können sich offensichtlich nicht darauf verlassen, auf dem Portal kununu authentische und damit aussagekräftige Bewertungen zu finden. Der Portalbetreiber kununu versucht offensichtlich – dokumentiert durch dieses Verfahren – Bewertungen „auf Teufel komm raus“ im System zu halten, obwohl es keinerlei tragfähige Belege dafür gibt, dass diese Bewertungen „echt“ sind. Das ist nicht nur unseriös, sondern bestätigt durch das OLG Köln auch rechtswidrig.

Kununu ist dem angekündigten Urteil des Oberlandesgerichts Köln gerade noch zuvorgekommen: Kununu hat die Anträge sämtlich anerkannt und wurde mit einem Anerkenntnisurteil vom 22.04.2021 zur Unterlassung verurteilt. Das Oberlandesgericht Köln hat es sich nicht nehmen lassen, im Protokoll ausdrücklich darzulegen, dass und warum kununu seine Prüfungspflichten verletzt hat.

Immer wieder sehen sich deutsche Unternehmen auf der Plattform Kununu zu Unrecht bewertet. In den Jahren 2019 und 2020 ist HÖCKER gegen 254 Bewertungen verschiedenster Mandanten auf dem Portal Kununu vorgegangen. Kununu hat 247 der Bewertungen gelöscht. Das bedeutet, dass 97% der 2019 und 2020 von HÖCKER mit Löschungsaufforderungen angegriffenen Bewertungen durch Kununu gelöscht wurden.

Rechtsanwalt Dr. Carsten Brennecke:
"Das Verfahren wirft ein Schlaglicht auf die fehlende Glaubwürdigkeit von anonymen Bewertungen auf der Bewertungsplattform kununu. Das Verfahren macht die unseriösen Tricks sichtbar, mit denen die Bewertungsplattform kununu versucht, offensichtlich haltlose Bewertungen im Netz zu halten. Das schädigt betroffene Unternehmen und enttäuscht die Nutzer, die hoffen, dort authentische Bewertungen zu finden."