Die kognitive Dissonanz in Jan Böhmermanns Kopf muss aktuell unerträglich sein. Einerseits hält der ZDF-Moderator Cancel-Culture für eine bloße Verschwörungstheorie von rechtskonservativen Snowflakes, andererseits musste er aufgrund öffentlichen Drucks gerade ein Konzert im Berliner Haus der Kulturen der Welt absagen. Vermutlich zerreißt es ihn innerlich: Darf er sich eigentlich noch beschweren oder ist er dann selbst ein verschwörungsideologisches Schneeflöckchen?
Böhmermann wollte ausgerechnet am 2. Jahrestag des Hamas-Massakers einen judenfeindlichen Rapper auftreten lassen, der das Existenzrecht Israels leugnet, und hatte Kritik an dieser Idee zunächst gut gelaunt zurückgewiesen:
„Wenn hier das Existenzrecht Israels geleugnet wird oder der Holocaust, dann schnappe ich mir Wolfram Weimer, hake mich ein und boxe die von der Bühne.“
Nun, das wird nicht mehr nötig sein. Dem Judenhass wird auch aufgrund der Proteste aus der jüdischen Gemeinschaft in Berlin gar nicht erst eine Bühne bereitet werden. Die Show findet nicht statt und Böhmermann erlebt erstaunt, dass er sich außerhalb seines ideologischen „Safe Space ZDF“ durchaus nicht jeden antisemitischen Ausfall erlauben kann. Bislang hielt ZDF-Intendant Himmler (psst, keine platten Witze, wir sind hier nicht bei Böhmermann!) stets seine schützende Hand über den Moderator des „ZDF Magazin Royale“. Man fragt sich, wie lange noch, wenn man sich Böhmermanns antisemitischen Track Record ansieht, der ganz beeindruckend ist.
Fixierung auf das Jüdischsein
Den jüdischen Comedian Oliver Polak jagte Böhmermann nach dessen Einführung mit Worten wie „Apropos Türke, hier ist ein Jude!“ und „Gib Gas!“ einmal von der Bühne und desinfizierte sich „angewidert“ die Hände, weil er Polak zuvor per Handschlag begrüßt hatte. Natürlich nur im Spaß! Die Pointe: Juden fasst man nicht an. Hahaha!
Polak kommentierte diesen „Spaß“ später so: „Sollte das Ironie sein? Wem genau galt sie? Imitierte er mit seiner Geste einen Antisemiten, oder sprach einer aus ihm? Fakt ist: Sein Gag war keiner, denn er hatte keine Pointe. Er bildete lediglich den Antisemitismus des Dritten Reiches ab.“
Oliver Polak hatte die Größe, nicht zu fragen, was eigentlich mit „Gib Gas!“ gemeint war.
Nun ist es nichts Ungewöhnliches, dass Böhmermanns Gags keine Pointe haben. Wenn es um Juden geht, ist sein gänzlich humorbefreiter Humor jedoch besonders auffällig. In einem Tweet des „ZDF Magazin Royale“ wurde der jüdische Unternehmer Mark Zuckerberg einmal als der „fünftreichste ‚Mensch‘ der Welt“ bezeichnet. Mit dem Wort „Mensch“ in Anführungszeichen. Auch hier: keine humoristische Metaebene, keine Pointe, nichts. Einem – natürlich steinreichen – Juden wird ganz einfach die Menschqualität abgesprochen und Punkt.
Eine Kamera fing einmal folgende Situation ein: Während sich Polak und Moderator Klaas Heufer-Umlauf unterhalten, schleicht Böhmermann ins Bild, zeigt auf Polak und flüstert immer wieder: „Jude! Jude!“ Polak kommentierte dies später als „krank, so richtig besessen“. Aber nicht doch! Man wird wohl annehmen dürfen, dass auch dies nur feine Ironie war. Was haben wir gelacht!
Ein anderes Mal kündigte Böhmermann Polak mit den Worten an: „Nächste Woche kommt Oliver Polak, weil der Mossad das will.“
Polak verwahrte sich gegen die ständige Fixierung auf sein Jüdischsein, Böhmermann aber soll nur gelacht haben: „Sorry, aber dein Judentum ist dein Unique Selling Point, da musste jetzt durch.“
Jan Böhmermanns Unique Selling Point ist ganz offensichtlich ein kaum verhohlener Antisemitismus. Er blitzt immer wieder durch. Wer Juden nicht ausstehen kann, kann dies nun einmal nicht dauerhaft verbergen. Wenn der Druck zu groß wird, müssen sie raus, die schmutzigen kleinen Gedanken. Natürlich nur im Spaß, haha! Oder man schickt einen judenfeindlichen Rapper vor, der in vollem Ernst sagt, was Böhmermann nur hinter der Maske des pointenfreien Clowns äußert.
Nun wurden Jan Böhmermann einmal seine Grenzen aufgezeigt. Tja, Jan: „Da musste jetzt durch!“
Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 30.9.2025 in der Berliner Zeitung.